Sommerzeit, Reisezeit – die Vorlieben von kulturell interessierten Eltern und Kindern, die lieber den ganzen Tag am Strand verbringen, sind manchmal schwierig zu vereinbaren. Wir haben uns dieses Jahr für die Niederlande entschieden. Dort kann man einen Urlaub am Meer mit einem Städtetrip wunderbar verbinden. Alles liegt weniger als zwei Autostunden auseinander. So verbrachten wir immer einen Tag am Strand, der nächste war dem Kulturtourimus gewidmet.
Wir starteten – wie könnte es anders sein – mit einem Städtetrip nach Amsterdam. Hier finden sich zahlreiche Museen, die auch Kinder interessieren: das van Gogh Museum, das Rijksmuseum und für etwas ältere Kinder das Anna-Frank-Haus (dort muss man allerdings schon zwei Monate vorher online Tickets kaufen). Bei dem schönen Wetter haben wir jedoch auf jeglichen Museumsbesuch verzichtet und eine Grachtentour mit dem Boot gemacht. Wir sind dort, wo wir es schön fanden ausgestiegen, z.B. im Jordaan-Viertel gleich in der Nähe des Anne-Frank-Hauses.
„Jordaan“ bedeutet wahrscheinlich so viel wie Garten nach dem französischen Wort Jardin. Die vielen Grachten mit Blumennamen bestärken diese Vermutung. In Amsterdam lebten viele aus Frankreich geflüchtete Hugenotten. Jordaan ist das ehemalige Arbeiterviertel. Es wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts erbaut als sich die Stadt während ihres Goldenen Zeitalters vergrößerte. Bis zum 2. Weltkrieg lebten Familien hier auf engstem Raum unter unwürdigen Bedingungen.
Damals noch lange kein Künstlerviertel lebte jedoch Rembrandt hier in den letzten Jahren seines Lebens nach seinem Bankrott 1655. Er hatte ein Haus an der Rozengracht 184, seine Werkstatt lag in der Nähe der Bloemgracht. Heute dagegen ist Jordaan ein Magnet für Künstler und Kreative – und natürlich für Touristen mit seinen Galerien, Designgeschäften, Bars und Cafés. Ein Spaziergang führt einen entlang an zahlreichen trendigen Hausbooten und der für die gesamten Niederlande so typischen Architektur.
In den Grachtenhäusern aus dem Goldenen Zeitalter wohnten reiche Kaufleute und das Großbürgertum. Sie dienten oft sowohl als Wohn- als auch als Arbeitsstätte. Auf der Grachtentour konnten wir die verschiedensten wunderschön verzierten Giebelarten wie Treppengiebel, Halsgiebel, Glockengiebel und Leistengiebel bewundern. Wir erfuhren, dass die Häuser zwei Eingänge besitzen –einen oberhalb der Treppe für die wohlhabenden Besitzer, den anderen unterhalb der Treppe für das Dienstpersonal. Die Häuser sind alle sehr schmal, oft nicht mehr als 8 Meter breit, dafür sehr tief. Am Giebel sind Eisenhaken angebracht, an denen beim Umzug Möbel und andere Güter ins Haus gezogen wurden/werden, da die Treppenhäuser zu eng sind. Die Häuserfronten neigen sich im oberen Bereich leicht zur Straße. Das hatte einerseits praktische Gründe, andererseits sollten die Häuser größer wirken.
Gebaut wurde meist ohne Architekten, Zimmerleute hatten die Leitung über den Bau. Hinter den schönen steinernen Giebeln verbergen sich nämlich Holzskelette. Die Häuser mussten möglichst leicht sein, da der Untergrund sumpfig ist. Die Häuser sind auf Pfählen gebaut.
Von innen können die herrschaftlichen Gebäude zum Beispiel im Museum van Loon besichtigt werden. In den Hinterhöfen finden sich häufig kleine versteckte Oasen der Ruhe. Die grünen Innenhöfe nennt man Hofjes.
Das älteste Hofje des ganzen Landes – das Hofje van Bakenes aus dem Jahr 1395 – findet man allerdings nicht in Amsterdam, sondern in Haarlem. Haarlem besuchten wir an einem der folgenden Tage. Wir genossen die Ruhe der Kleinstadt gegenüber dem doch sehr touristenüberlaufenden Amsterdam. Die Hofjes, die über die ganze Stadt verteilt sind, wurden von christlichen Gemeinden und reichen Privatpersonen als eine frühe Art der Altersfürsorge und des sozialen Wohnungsbaus erbaut.
Auch in Haarlem finden sich an den Grachten die typischen Häuser, an denen man entlang flanieren kann, genau wie in Utrecht und Alkmaar, die sich ebenfalls für einen Städtetrip anbieten und auch noch auf unserem Reiseplan standen. Die Architektur verzauberte uns immer wieder. Jede Stadt hat natürlich ihre eigenen Highlights – wie Utrecht den Dom und Alkmaar den Käsemarkt.
So hat Holland eine ganze Menge an Kultur zu bieten und ist dabei extrem kinderfreundlich. Auf jeden Fall eine Reise wert. Für alle, die nah an der Grenze wohnen, bietet sich so ein Städtetrip auch als Wochenendausflug an.