Im ersten Halbjahr habe ich – rein zufällig – nur Bücher von Frauen gelesen, die auch fast ausschließlich von Frauen erzählen, nachzulesen z.B. hier oder hier. Also ist dieser Juli eine Art Premiere. Ich habe Pierre Lemaitre: Die Farben des Feuers gelesen. Natürlich war das nicht mein erster Roman von einem männlichen Schriftsteller, nur dieses Jahr hat es sich eben so ergeben.
Mittelpunkt der Geschichte ist aber auch hier eine Frau, Madleine Péricourt, Alleinerbin eines mächtigen Bankenimperiums. Die ersten 80 Seiten des Romans haben sich für mich eher schleppend gelesen. Er beginnt sehr deprimierend, wenn auch äußerst ironisch beschrieben, mit einer Beerdigung und einem tragischen Unglück. Madleines Leben wird durch beide Ereingisse auf den Kopf gestellt. Ihr Vater ist gestorben. Sie erbt eine mächtige Bank, versteht jedoch nichts von Geschäften und Finanzen. Hinzu kommt, dass ihr Sohn schwer verunglückt und ihre ganze Aufmerksamkeit benötigt.
Umgeben von Neid und Missgunst stürzt Madleine in der Männerwelt in den Ruin. Verletzt und wütend ergibt sie sich jedoch nicht ihrem Schicksal, sondern beginnt einen raffinierten und schonungslosen Rachefeldzug.
Die intelligenten Winkelzüge und oft unvorhersehbaren Intrigen, die Madleine anzettelt, lesen sich sehr spannend und unterhaltsam. Nur zum Ende des Romans hin wurde es mir zu intrigant, zu klischeehaft. Ich finde, alle Frauen sind eher klischeehaft dargestellt als hinterhältig, habgierig oder als Verführerin. Das hat mir das Lesevergnügen wieder etwas vergelt. Madleine selbst sieht am Ende des Romans gleichwohl selbstkritisch zurück auf das „Ruinenfeld […], auf dem sie jetzt würde leben müssen“.
Die Handlung ereignet sich in den Jahren zwischen 1927 und 1933. Die politische Situation spielt natürlich eine Rolle. Am eindrücklichsten am Handlungsstrang um Madleines Sohn Paul dargestellt. Nach dem Unglück an den Rollstuhl gefesselt, findet er seine Leidenschaft in der Oper, insbesondere in den Liedern der italienischen Sängerin Solange Gallinato.
Das Wirken der – real existierenden – Künstlerin verfolgt Paul ganz aus der Nähe. Die beiden verbindet eine innige Freundschaft. Als Gallinato einem Auftritt in Hitler-Deutschland zusagt, verändert sich Pauls Einstellung zu ihr. Die Diva kann ihn jedoch von ihren rebellischen Absichten überzeugen.
Insgesamt hat Pierre Lemaitre einen lesenswerten Roman geschrieben, der in seiner Art und Weise des Schreibens auf zahlreiche französische Dichter Bezug nimmt: Baudelaire, Dumas, Flaubert, Hugo und einige mehr.
Piere Lemaitre: Die Farben des Feuers, Klett-Cotta, ISBN: 978-3-608-96338-0