Ostern verbringen wir immer in der Uckermark. Jedes Mal, wenn wir von der Stadt die Autobahn entlang fahren und die Felder immer weiter werden, die Seen immer blauer und nur noch ab und zu ein Dorf auftaucht, dann weiß ich, wir sind in der Uckermark.

Mein Herz geht auf, weil es so schön ist hier, so ruhig und weit. Und weil es meine Heimat ist. Nach einem langen Wochenende voller Träumereien von einem Haus auf dem Land mit riesigem Grundstück, selbst angebauten Gemüse und Eiern von den eigenen Hühnern kehre ich immer wieder zurück in die Stadt. Denn Landleben ist nicht nur Idylle. Es ist harte Arbeit … oder eben gar keine Arbeit. Die Arbeitslosigkeitsrate ist in der Uckermark eine der höchsten in Deutschland. Ich denke an geschlossene Schulen, Ärztemangel und Überalterung der Bevölkerung.

Für viele Berliner ist es – wie für mich – trotz allem Sehnsuchtsort. Die Uckermark wird oft als die Hamptons von Berlin bezeichnet. Ziel Nummer eins – das Hipsterdorf Gerswalde. Die Regisseurin Lola Randl ist nicht ganz unschuldig daran. Als wir unserer Familie, die genau dort aufgewachsen ist, sagen, wir machen einen Ausflug nach Gerswalde, sehen sie uns nur verständnislos an: was wollt ihr denn da? Sie wissen nichts von trendigen Cafés, von „Glut und Späne“ und Japanerinnen.

Mit unserem Auto fallen wir unter den vielen Berliner Kennzeichen gar nicht auf. Wir gehen erst mal in Richtung Schloss und Wasserburg. Das Schloss gehörte der Familie von Arnim, ein Adelsgeschlecht, das die Uckermark seit dem 13. Jahrhundert besiedelte. Dutzende Schlösser, Gutshöfe und Ländereien gehörten der Familie. Einige von ihnen sind in den letzten Jahrzehnten zurückgekehrt und haben sich hier eine Existenz aufgebaut.

Gerswalde Schloss
Schloss Gerswalde

1724 wurde in Gerswalde das Herrenhaus errichtet, das ab 1832 zum Schloss umgebaut wurde. Um 1900 wurde es von Felix von Arnim zu seiner heutigen Form umgestaltet. Heute ist es ein Jugendzentrum. Das Schloss galt als Vorburg der mittelalterlichen Wasserburg wenige Meter entfernt. Hier gibt es ein kleines Heimatmuseum.

Gerswalde Wasserburg
Wasserburg Gerswalde
Familie Von Arnim Gerswalde
Gräber der Familie von Arnim

In den recht gut erhaltenen Ruinen finden im Sommer Kulturveranstaltungen und mittelalterliche Feste statt. Nach einem kurzen Rundgang durch den Burghof spazieren wir in Richtung Kirche, die das ganze Dorf überragt.

Gerswalde Kirche
Kirche Gerswalde

Während die Gerswalder Feuerwehr auf dem Kirchenvorplatz das Osterfeuer entzündet, kehren wir ins Löwen.haus ein, Café, Galerie und Projektraum zugleich. Das Café ist der Vorläufer zum berühmten Lokal „Zum Löwen“ der vier Japanerinnen im Palmenhaus auf dem Gelände der alten Schlossgärtnerei, das die Berliner Regisseurin Lola Randl vor einigen Jahren erworben und mit dem Kulturgarten eine kleine Landidylle für die Berliner geschaffen hat.

Löwenhaus Lola Randl
Löwenhaus Gerswalde
Café und Galerie Lola Randl
Café, Galerie und Projektraum

Hier sind wir die einzigen Gäste und können bei Lupinenkaffee und Zimtschnecke den Blick in den Garten genießen und über das Geheimnis des Gerswalder Erfolges philosophieren.

Unser Rundgang führt uns danach dann doch noch in Lola Randls Großen Garten und ins Palmenhaus.

Großer Garten von Lola Randl
Großer Garten
Palmenhaus Café Japanerinnen
Palmenhaus

Der Fischmann aus der Kreuzberger Markthalle IX räuchert seine regionalen Fische gleich nebenan. „Glut und Späne“ ist jetzt komplett in Gerswalde ansässig.

Glut und Späne
Glut und Späne

Das ehemalige Gärtnerhaus wird gerade zum Gästehaus mit fünf Zimmern ausgebaut.

Wer mehr über das Dorfleben der Großstädter erfahren will, sieht sich die Dokumentationsreihe „Landschwärmer“ an (https://www.youtube.com/watch?v=OgRZacm5FK4) oder den Film „Von Bienen und Blumen“ an, der ab 9.5.2019 in den Kinos läuft oder liest den gerade erschienenen Roman „Der große Garten“ (https://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/der-grosse-garten-ebook.html) – alles von Lola Randl.

Lola Randl Der große Garten
Dieses Bild kannst du auf Pinterest teilen.

Während das Osterfeuer vor der Kirche nun endgültig prasselt, machen wir uns auf zurück in unsere eigene Dorfidylle, die nicht ganz so hip ist, aber mindestens genauso schön. Und zitieren dabei Goethe:

„Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!“